Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat Omer A. mit Urteil vom 10. Januar 2023 wegen Mordes, versuchten Mordes, versuchter Brandstiftung und versuchter Verursachung einer Explosion betreffend einer Tankstelle, mehrfacher Förderung der Aktivitäten der Gruppierung «Islamischer Staat», Herstellens und Lagerns von Gewaltdarstellungen sowie der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Demgegenüber sprach das Gericht den Beschuldigten von den Vorwürfen der Körperverletzung und Drohung frei. Die Strafkammer verurteilte Omer A., unter Berücksichtigung seiner mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Taten, zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Zudem wurde eine stationäre therapeutische Massnahme in einer geschlossenen Anstalt angeordnet.
Das Gericht sprach Omer A. aufgrund des am 12. September 2020 in Morges begangenen Messerangriffes des Mordes schuldig. Das Gericht stellte fest, dass Omer A. seine Tat vorsätzlich begangen hatte, indem er insbesondere am Tag des Angriffs mehrfach Rekognoszierungen vornahm, ein Küchenmesser erwarb und auf brutale und entschlossene Weise handelte. Darüber hinaus befand das Gericht, dass die zur Rechtfertigung der Tat angeführten Gründe absurd waren und von einer Missachtung des menschlichen Lebens zeugten. Anlässlich der Hauptverhandlung zeigte Omer A. überdies keine aufrichtige Reue. Das Gericht sprach Omer A. von den Vorwürfen der Körperverletzung und Drohung zum Nachteil eines Privatklägers, der am Abend des Messerangriffs anwesend war, frei. Einerseits liess sich das vom Privatkläger angeblich erlittene Trauma sowie der Kausalzusammenhang zwischen dem Messerangriff und dem Trauma nicht ausreichend nachweisen. Zum anderen kam das Gericht zum Schluss, dass Omer A. den Privatkläger während des Angriffs nicht konkret bedroht hatte.
In Bezug auf den Angriff auf den Wärter des Gefängnisses Thun wich das Gericht von der von der Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) vorgeschlagenen rechtlichen Qualifikation ab und qualifizierte diesen nicht als versuchte vorsätzliche Tötung, sondern als versuchten Mord. Aus den Akten geht hervor, dass Omer A. seine Tat einige Wochen zuvor geplant und nach Kugelschreibern verlangt hatte, die im Gefängnis Thun verboten waren. Überdies waren durch die von Omer A. getroffene Auswahl des Tatorts die Fluchtmöglichkeiten des Opfers erheblich eingeschränkt. Während seines Angriffs versuchte Omer A. zwölf Mal, dem Gefängniswärter einen Kugelschreiber in den Hals zu stechen. In der Hauptverhandlung bezeichnete Omer A. seine Tat als einfachen Kratzer. Die Bilder der Videoüberwachung und die am Opfer festgestellten Verletzungen widersprechen jedoch den von Omer A. vorgebrachten Erklärungen. Bei dem Angriff hatte er die Handlungen, die in einem Propagandavideo der Gruppierung «Islamischer Staat» gelehrt wurden, nachgeahmt. Da Omer A. in der Hauptverhandlung unter anderem zugab, dieses Video gesehen zu haben, musste er um die die Lebenswichtigkeit der vom Angriff betroffenen Körperzone wissen. Der Überraschungs-effekt des ersten Stichs sowie die Gewalt der nachfolgenden elf Stiche zeugen von seiner Absicht, die Blutgefässe des Opfers zu perforieren und dieses ausbluten zu lassen. Schliesslich rechtfertigte Omer A. seine Tat unter anderem damit, dass der Wärter ihm einen Streich gespielt habe. Angesichts eines derart unbedeutenden Motivs befand das Gericht, dass Omer A. eine besondere Skrupellosigkeit an den Tag gelegt hatte.
In Bezug auf die vorgeworfenen Versuche, eine Tankstelle in Brand zu setzen und explodieren zu lassen, stellte das Gericht fest, dass Omer A. wissentlich Leib und Leben anderer gefährdet hatte, da sich die Tankstelle in einem Wohngebiet befand und die Ereignisse nachts stattfanden. Omer A. versuchte mehrmals, das Zapfventil in Brand zu setzen, zunächst mit einer Zigarette, dann durch deren Übergiessen mit Benzinresten und schliesslich mit Tüchern, die mit brennbarer Flüssigkeit getränkt waren. Omer A. wusste und wollte damit die Tankstelle in Brand setzen und nahm in Kauf, dass sie letztlich explodieren könnte.
In Bezug auf den Vorwurf der Unterstützung der Gruppierung «Islamischer Staat» stellte das Gericht fest, dass Omer A. nicht versucht hatte, zwei seiner Freunde von der Rechtmässigkeit der Gruppierung «Islamischer Staat» zu überzeugen, und sprach ihn in diesem Punkt frei. Omer A. war bei seinen Diskussionen nicht in der Lage, ernsthafte und überzeugende Argumente für die Daseinsberechtigung dieser kriminellen Organisation zu formulieren. Darüber hinaus stellte das Gericht das Verfahren in Bezug auf die ihm gemäss der von der BA erstellten Liste doppelt aufgeführten Dateien ein. Bei den verbleibenden Dateien entschied das Gericht, dass es sich um Propaganda für die Gruppierung «Islamischer Staat» handelte, da sämtliche Dateien die Logos der Organe der Gruppierung «Islamischer Staat» enthielten. Dadurch, dass Omer A. sich nach einer Route in Richtung der türkisch-syrischen Grenze erkundigte, einige Stunden später zusammen mit seinen persönlichen Sachen sein Haus in Richtung Mailand verliess und seinen Schlüssel in den Briefkasten warf, erachtete es das Gericht als erwiesen, dass er sich auf dem Weg via Türkei der Gruppierung «Islamischer Staat» in Syrien zur Verfügung stellen wollte.
Das Gericht befand Omer A. für schuldig, Bild- und Videodateien, die, ohne wissenschaftlichen oder kulturellen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten darstellen, auf seinen Telegram-Account und privaten Kanäle heruntergeladen und dort gespeichert zu haben. Diese Bilder verletzen die Menschenwürde und den Totenfrieden auf schwerwiegende Weise, indem sie verkohlte, blutverschmierte und enthauptete Leichen zur Schau stellen. Die Videos, von denen einige kaum zu ertragen sind, enthalten insbesondere abscheuliche Szenen von Enthauptungen, eine Ausweidung sowie Hinrichtungen, die in Zeitlupe und Nahaufnahme gefilmt wurden und von denen einige von Kindersoldaten begangen wurden. Im Übrigen räumte auch Omer A. ein, dass die Gesamtheit dieser Dateien schockierend sei.
Schliesslich gab Omer A. zu, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben, indem er von Dealern erworbene Joints konsumiert hatte. Das Gericht verzichtete jedoch in Anwendung von Art. 52 StGB darauf, eine Strafe für diese Taten zu verhängen.
Die BA hatte in der Hauptverhandlung für alle Straftaten eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren mit anschliessender Verwahrung gefordert. Angesichts des Verschuldens des Täters, der Schwere der ihm zur Last gelegten Taten und der mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit erachtete das Gericht eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren als angemessen; diese Dauer liegt an der vom Gesetzgeber festgelegten Obergrenze und steht im Einklang mit der Rechtsprechung. Gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten befand das Gericht ausserdem, dass die Voraussetzungen für die von der BA beantragte Verwahrung nicht erfüllt sind. Hingegen wird Omer A. durch die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme in einer geschlossenen Anstalt eine Behandlung erhalten, die ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten und seine Gefährlichkeit verringern soll.
Beilage: Dispositiv SK.2022.35
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